Kognitives Training im Jugendfußball
Im Jugendfußball ist die Förderung kognitiver Fähigkeiten ein entscheidender Faktor für die Entwicklung talentierter Spieler. Kognitive Funktionen wie Arbeitsgedächtnis, inhibitorische Kontrolle und kognitive Flexibilität spielen eine wichtige Rolle im Spielgeschehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und bietet praxisnahe Übungen, die leicht umsetzbar sind und die kognitiven Fähigkeiten von Fußballspielern verbessern können.
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Eine Studie von Huijgen et al. (2015) untersuchte kognitive Funktionen bei Elite- und Sub-Elite-Jugendfußballspielern im Alter von 13 bis 17 Jahren. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse und deren Einordnung:
1. Stichprobe: Die Studie umfasste 47 Elite-Jugendfußballspieler (Durchschnittsalter 15,5 Jahre) und 41 Sub-Elite-Jugendfußballspieler (Durchschnittsalter 15,2 Jahre).
2. Testmethoden: Die Spieler absolvierten verschiedene kognitive Tests, darunter der Stop-Signal-Test (SSRT) zur Messung der inhibitorischen Kontrolle, der Trail Making Test (TMT) zur Messung der kognitiven Flexibilität und der D-KEFS Design Fluency Test (DFT) zur Messung der Metakognition.
Inhibitorische Kontrolle (SSRT)
• Ergebnisse: Elite-Spieler hatten eine durchschnittliche Stoppsignal-Reaktionszeit (SSRT) von 197,5 ms, während Sub-Elite-Spieler eine SSRT von 216,3 ms erzielten.
• Einordnung: Eine kürzere SSRT bedeutet, dass die Elite-Spieler besser darin sind, ihre motorischen Reaktionen zu unterdrücken. Diese Fähigkeit ist entscheidend, um in Spielsituationen schnell auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren, wie z.B. das Abbrechen eines geplanten Passes, wenn ein Gegner plötzlich in den Weg tritt.
Kognitive Flexibilität (TMT)
• Ergebnisse: Im Trail Making Test benötigten Elite-Spieler durchschnittlich 32,1 Sekunden für die B-A-Aufgabe, während Sub-Elite-Spieler 43,8 Sekunden benötigten.
• Einordnung: Eine geringere Zeit in der B-A-Aufgabe zeigt eine höhere kognitive Flexibilität. Diese Fähigkeit ermöglicht es den Spielern, effizient zwischen verschiedenen Aufgaben und Anforderungen auf dem Spielfeld zu wechseln, was in schnellen Spielsituationen von großer Bedeutung ist.
Metakognition (DFT)
• Ergebnisse: Im D-KEFS Design Fluency Test erzielten Elite-Spieler durchschnittlich 37,1 Punkte, während Sub-Elite-Spieler 33,0 Punkte erreichten.
• Einordnung: Höhere Punktzahlen im DFT deuten auf eine bessere Fähigkeit hin, kreative und strategische Lösungen zu planen und auszuführen. Diese Fähigkeit ist im Fußball wichtig, um innovative Spielzüge zu entwickeln und auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren.
Bedeutung der Erkenntnisse
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass Elite-Spieler besser darin sind, schnell und präzise auf sich verändernde Spielsituationen zu reagieren. Diese kognitiven Fähigkeiten sind nicht nur für das individuelle Spielverständnis wichtig, sondern auch für die Teamdynamik und den Gesamterfolg der Mannschaft. Beispiele aus dem Fußballspiel, die diese Fähigkeiten veranschaulichen, sind:
• Inhibitorische Kontrolle: Ein Spieler muss einen geplanten Pass abbrechen, weil ein Gegner plötzlich in den Weg tritt. Stattdessen entscheidet er sich, den Ball zurückzuspielen oder einen anderen Mitspieler anzuspielen. Ein weiteres Beispiel wäre ein Stürmer, der einen Schussversuch abbricht, weil der Torhüter sich in die Schussbahn bewegt, und stattdessen den Ball zu einem besser positionierten Mitspieler passt.
• Kognitive Flexibilität: Ein Mittelfeldspieler, der den Ball erhält und merkt, dass seine ursprüngliche Spielrichtung blockiert ist, muss schnell eine neue Entscheidung treffen. Er könnte sich entscheiden, den Ball auf die andere Spielfeldseite zu verlagern oder durch einen überraschenden Dribbling-Manöver eine neue Spielsituation zu schaffen. Ein weiteres Beispiel ist ein Verteidiger, der schnell zwischen der Deckung verschiedener Gegenspieler wechseln muss, je nach der sich ständig ändernden Spielsituation.
• Metakognition: Ein Spieler plant einen komplexen Spielzug, indem er die Positionen der Mitspieler und Gegner berücksichtigt und mehrere Handlungsmöglichkeiten im Kopf durchgeht, bevor er die beste Entscheidung trifft. Ein Beispiel wäre ein Spielmacher, der während eines Angriffs ständig die Positionen seiner Mitspieler beobachtet, um im richtigen Moment den entscheidenden Pass zu spielen.
Praxisbeispiele für Trainer
1. Visuelles Reaktionstraining
• Übung: Spieler stehen in einem Kreis und müssen auf visuelle Signale des Trainers (z.B. farbige Karten) reagieren.
• Ziel: Verbesserung der visuellen Wahrnehmung und schnellen Reaktion auf visuelle Reize.
2. Entscheidungstraining mit kleinen Spielen
• Übung: Zwei Mannschaften spielen ein kleines Feldspiel, bei dem die Spieler regelmäßig ihre Positionen wechseln müssen.
• Ziel: Förderung der Entscheidungskompetenz in dynamischen Spielsituationen.
3. Simulation realer Spielsituationen
• Übung: Simulation eines Spielszenarios, bei dem Spieler in Echtzeit Entscheidungen treffen müssen, z.B. bei einem schnellen Konterangriff.
• Ziel: Verbesserung der Handlungsfähigkeit und der Fähigkeit, unter Druck schnell Entscheidungen zu treffen.
Kritische Reflexion
Obwohl die beschriebenen Übungen vielversprechend sind, weisen einige Studien darauf hin, dass die Transferwirkung von spezifischen Wahrnehmungstrainings auf reale Spielsituationen begrenzt sein kann. Zudem bleibt unklar, ob die kognitiven Vorteile der Elite-Spieler auf angeborene Fähigkeiten oder auf die hohe Qualität und Intensität ihres Trainings zurückzuführen sind. Daher ist eine regelmäßige Evaluation und Anpassung der Trainingsmethoden an die individuellen Bedürfnisse der Spieler notwendig.
Learnings
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten im Fußball ein komplexer Prozess ist, der sowohl physische als auch kognitive Trainingsmethoden umfasst. Die wichtigsten Learnings sind:
1. Inhibitorische Kontrolle und kognitive Flexibilität sind entscheidend für den Erfolg im Fußball.
2. Regelmäßiges Wahrnehmungs- und Entscheidungstraining verbessert die kognitiven Fähigkeiten.
3. Praxisorientierte Übungen sind essenziell für die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Bezug zu RESWITCH:
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Quellen und Zitierweise
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse basieren auf den folgenden Artikeln:
1. Huijgen, B. C. H., Leemhuis, S., Kok, N. M., Verburgh, L., Oosterlaan, J., Elferink-Gemser, M. T., & Visscher, C. (2015). Cognitive Functions in Elite and Sub-Elite Youth Soccer Players Aged 13 to 17 Years. PLoS ONE, 10(12), e0144580. doi:10.1371/journal.pone.0144580 .
Weitere unterstützende Artikel und kritische Reflexionen finden Sie in den folgenden Quellen:
1. Williams, A. M., & Ward, P. (2007). Perceptual and Cognitive Expertise in Sport: Implications for Skill Acquisition and Performance Enhancement. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 5(3), 285-306.